Mittwoch, 28. Januar 2015

Il presepe vivente

Ein Schauspiel besonderer Art ist die "lebende Krippe" - il presepe vivente. Unsere Maurer machen da mit und uns darauf aufmerksam. Am 6. Januar, am letzten Tag der Veranstaltung, machen wir uns auf den Weg - und sind total überrascht. Riesengrosser Parkplatz mit Einweisung, Shuttle-Bus zur Burg, wo das Schauspiel stattfindet und eine kaum überschaubare Menschenmenge, die da hin pilgert. Dieses Krippenspiel scheint ein absolutes Muss. 
Beginnen tut es mit dem Einmarsch aller Akteure, die an den Zuschauern vorbei durch das Burgtor Einzug halten.




So, und jetzt wir in die Burg, um uns das Schauspiel anzusehen. Doch weit gefehlt - zuerst stehen wir mal eine geschlagene Stunde an. In der Kälte wohlgemerkt. Und mit Weihnachtsliedern, die über Lautsprecher ertönen, untermalt. Grüppchenweise wird man eingelassen. Das Jesuskind lehrt Geduld und Demut….


Endlich drinnen sind wir überwältigt vom Ambiente. Das Warten hat sich gelohnt.





Alles ist mit Kerzenlicht ausgeleuchtet. Auf einem Parcours, der durch die Burg und über Felder führt ist die heilige Nacht nachgestellt. Alles Freiwillige (worunter eben unsere Maurer). Welcher Aufwand! Doch wirklich schön. Müsste ich mir die Zeit um Jesu Geburt vorstellen, käme ihr das hier sehr nahe.









Schönheit einer Baustelle


Wir bauen auch das Licht mit ein!
Eisengerüst für die Küchenöffnungen.




Warm und kalt

Nach den Weihnachtsfeiertagen treffen wir in Fratticiola bei Schnee und Kälte ein. Für die Woche in der Schweiz haben wir die Heizung abgestellt - alles noch zu neu und unsicher, um einfach in Betrieb zu lassen während unserer Abwesenheit. Dabei nehmen wir in Kauf, dass wir in der ersten Nacht etwas frieren müssen, bis die Zentralheizung wieder auf Hochtouren läuft. Zum Glück haben wir das Cheminée in der Küche, wo wir uns notdürftig aufwärmen.

Am nächsten Tag ist es dann schon angenehm warm. Leider nicht lange, die Störungsmeldungen am Brennofen häufen sich. Anfangsschwierigkeiten. Normal, sagt der Heizungstechniker. Doch die Umtriebe haben wir. Peter mausert sich zum Spezialisten. Unterdessen klappt es ganz gut. Entwarnung. 

Doch wenn wir schon warm haben, sollen auch die Hühner warm haben. Auf geht's - eine Infrarot-Wärmelampe kaufen. Rotlichtviertel im Hühnerstall.


Einmal und nie wieder

Vor ca. 1 Jahr kam unser Nachbar Gianfranco mit der Idee für uns ein kleines Schweinchen zu kaufen und grosszuziehen, damit es dann 1 Jahr später (somit jetzt) geschlachtet werden könne. So könnten wir unseren eigenen Prosciutto machen, eigene Würste, die Koteletts für die Gäste zuschneiden etc. Wir wüssten dann wie es dem Schwein ergangen sei und hätten so eine andere Beziehung zum Fleisch.

Naiv und unwissend haben wir uns auf diesen Vorschlag eingelassen, gingen das Schweinchen anfangs auch immer wieder mal besuchen, bis es in Vergessenheit geriet. (ich schäme mich….). Und jetzt ein Jahr später kommt Gianfranco und redet von Schwein töten und zerschneiden. Das war irgendwie gar nicht mehr in unserem Bewusstsein. Aber - abgemacht ist abgemacht - da müssen wir jetzt durch. 
Wir erwägen wer von uns das Schwein tötet und wer es zerlegt. In der Diskussion merken wir, dass töten eigentlich nicht geht - das können wir nicht. Gianfranco erledigt das für uns, auch das Ausbluten. Wir erscheinen dann erst auf der Bildfläche als es ums Zerlegen geht. Etwas feige finde ich. 


Mit schlechtem Gefühl und grossen Fragezeichen machen wir uns dann eher widerwillig an die Arbeit. Peter von frühmorgens 8 Uhr, ich stosse erst um 10 Uhr dazu. Das macht das Gefühl nicht besser. Was soll das? Wir essen Fleisch, sind gleichzeitig jedoch nicht bereit, das Tier zu töten? Aber beim Metzger oder im Supermarkt kaufen das geht? Weil da genügend Distanz ist? Man es abstrahieren kann? Nicht ok.

Vieles ist schon zerlegt als ich eintreffe.




Bleibt noch die Feinarbeit. Koteletts einzeln schneiden, das Filet lösen. Schulterbraten. Brustspitzen, Speck, Ragout, Schinken, Schmalz. 



Nachdem alle Teile sortiert und verpackt werden, bleibt das Fett übrig, dies wird erhitzt und geklärt und als "distrutto" für Torten und Süssspeisen oder Fleischanbrat-Mittel verwendet.

 
Nicht dass mich das Schneiden des Fleisches stört, dem kann ich sogar (wenn auch schwierig) etwas abgewinnen. Nein, das, was mich fertig macht ist der Geruch des toten Fleisches und das Blut. 
Nachmittags um 15 Uhr sind wir mit dem Zerlegen fertig und gehen total niedergeschlagen und am Rand der Übelkeit nach Hause - mit knappen 100 kg Sau auf der Ladefläche. Doch erst gegen Abend haben wir dann auch den Schmalz verarbeitet - der Hunger aufs Abendessen ist uns vergangen. Nie mehr essen. Nie mehr Fleisch. Mir reicht's. 

Eines ist sicher - diese Erfahrung prägt. Wir haben nicht klein beigegeben, sondern uns der Aufgabe gestellt (wie so vielem hier im "anderen Leben"). Sicher ist auch, dass wir das nie wieder tun werden. Und unseren Fleischkonsum überdenken wir gründlich. 

Zu Hause - und doch noch nicht ganz

Gerade noch geschafft im alten Jahr: Wir ziehen in unsere Wohnung ein! 

Halleluja!!! 

Bevor wir für die Weihnachtstage in die Schweiz gehen, schlafen wir 2x in unseren neuen Zimmern. Herrlich!!! Am Morgen aufwachen und den Sonnenaufgang vom Bett aus erleben, unbeschreiblich. Am Abend bei prasselndem Feuer in der Küche sitzen auch wenn noch nicht alles fertig ist. Gemütlich.












Das erste Bad, auf das ich mich so lange gefreut habe, tut Körper und Seele gut. Mit Sprudel und Aussicht in die Natur. Im neuen Jahr folgt dann die erste Dusche. Regenschauer.  Natursteinboden.




Das dunkle Parkett in den Schlafzimmern und im Badezimmer ist schön geworden, der Tonboden in der Küche schön und vor allem nicht heikel. Die alten Steinmauern erscheinen in neuem Glanz (auch wegen der Beleuchtung). Die Küche passt aufs Land, einfach und funktional, viel Holz, kombiniert mit Modernem. Platz bleibt frei für das Buffet meiner Grossmutter. Das Sofa ist unterdessen bestellt, der Esstisch kommt nach der Fasnacht aus Basel angefahren. 




Vieles ist noch provisorisch. Wie zum Beispiel die Kleiderschränke, die wir aus den Gästezimmern entwendet haben oder mein Bett, das immer noch in Basel steht.
Die Handwerker müssen noch Berichtigungen und Ausbesserungen vornehmen, der Elektriker die LED-Schiene unter die Küchentablare montieren und wir noch fertig einrichten. Unter uns wird fröhlich weiter gebaut - Restaurant, Bar und Saal. Beim Sandstrahlen der Wände dringt der Staub durch die feinsten Ritzen, und wir beginnen die Putzerei wieder von vorne. Frust. Ach, Weh. So haben wir uns den Einzug nicht vorgestellt. Der Baustellen-Lärm ist hier in unserer Wohnung auch viel präsenter als noch im Nebengebäude - daran haben wir nicht gedacht... Tja, wie ihr seht - so ganz zur Ruhe kommen wir immer noch nicht….

Erschöpfung

Es wäre ja nicht realistisch und nicht ehrlich,  nur die Highlights und positiven Erlebnisse zu schildern. Es gibt nicht nur diese. Nicht immer eitel Sonnenschein. Dunkle Wolken. Blackout. Der Humor verschwunden. Die Freude auch. Lachen fällt schwer. Erschöpfung.

Ein kurzer Rückblick im nicht mehr ganz so jungfräulichen neuen Jahr: 

Vor knappen 2 Jahren haben wir "l'altra vita" in Umbrien begonnen. Viel in Bewegung gesetzt, neuen Boden erforscht, uns immer wieder mit fremden Situationen konfrontiert. Mit uns auseinandergesetzt, Grenzen ausgelotet und erfahren. Wir haben Vollgas gegeben und nicht nur einfach das Haus umgebaut, nein, gleichzeitig Felder wieder urbar gemacht, Oliven gepflückt, Bäume geschnitten, einen Gemüsegarten angelegt, Holzhackschnitzel produziert, Traktor fahren und italienisch gelernt. Wir haben gerechnet, geplant, gegraben, gepflügt, gezeichnet, diskutiert, geschrieben, gezweifelt, geflucht, gefroren, gezittert. Gelernt. Haben uns immer wieder in Frage und die Zähler auf Null gestellt, um festgefahrene Situationen wieder auf neutralen Boden zu bringen und voller Elan weiter zu machen. Fast monatliche Reisen nach Basel um zum rechten zu sehen, die Kinder zu drücken, die stufenweise Ablösung zu vollziehen gehörten mit zum Programm. Genauso wie die etwas andere Arbeitsmoral der Italiener und die Missinformation, mit der wir ständig zu kämpfen haben. Gesetzesänderungen passieren hier fast wöchentlich, die Auslegung derselben passt sich täglich an, Bürokratie heisst die Plage, und wir sind mitten in diesem Dschungel oft orientierungslos und verloren.

Manchmal habe ich mich gefragt, woher denn die Energie und Kraft kommt, um all dies zu bewältigen. Ich fühlte mich getragen. Vom Land, der Erde, den Elementen. Getragen vom Grossen Ganzen. Die Energie kam aus der Freude, dem Glauben an unser Projekt, dem Geführt-Sein, der Liebe und dem immer wieder neu zu lernenden Vertrauen. Doch jetzt ist die Freude kaum spürbar, der Kopf müde vom Denken, Rechnen, Planen und Organisieren. Der Glaube bleibt und gibt das Nötige zum Durchbeissen. Die Liebe bleibt, ist überlagert vom Rumrennen und "Krampfen". Und die Fähigkeit zu vertrauen und getragen zu sein wird geprüft. 

Ich bin müde, mag grad nicht mehr, sehe die Möglichkeit nicht, meine Batterien zu laden und zur Ruhe zu kommen, bin traurig wegen der abhanden gekommenen Freude. Es ist zuviel. Jetzt grad.