Montag, 28. März 2016

Obertöne

Viel Frühlingsarbeiten im Garten. Ich nehme mich der im Herbst gepflanzten Trauerweide, der beiden Linden und sämtlicher Pflanzen rund ums Schwimmbad an. Erde lockern mit der in der Schweiz gekauften Gartenhacke. Das Schweizerkreuz auf dem Stiel bezeugt es. Während des Hackens höre ich einen anhaltenden Ton. Ich halte inne. Woher kommt er, der Ton? Vom Nachbar? Was macht er? Ratlosigkeit. Weiterhacken. Schon etwas irritierend dieser andauernde Ton. Tinitus? Wessen? Meiner nicht. Hört sich das überhaupt so an? Keine Ahnung. Weiterhacken. Ich treffe einen Stein mit der Hacke, einen grossen. Der dabei erzeugte Ton ist sehr hell und laut. Und schwingt nach. Und schwingt nach. Und nach. Und nach. 
Das Rätsel ist gelöst. Die Hacke als Musikinstrument, das Obertöne erzeugt. Meine Mutter ging vor vielen Jahren ins "Obertonsingen" und hat es mir live demonstriert. Das hat zwar anders getönt, doch so schweifen meine Gedanken zu meiner Mutter, die damals gerne die Erde bei uns im Garten hackte. 
Zwischen Hacken, Obertönen, Sonne auf der Haut, der Weite des Landes ist sie plötzlich sehr präsent, meine Mutter. Ich fühle mich ihr sehr verbunden. Die Liebe zur Natur kommt definitiv von ihr. Ich kann mich erinnern wie sie mit mir als Kind Zwergenhäuser aus Birkenrinde, Zweigen, Moos und Tannenzapfen bastelte - am Fusse eines Baumes, in den Wurzeln. Halt wo die Zwerge wohnen. Naturgeister wie Feen und Elfen gehörten mit zur Inszenierung. Feinstofflich. Unvergesslich. Verinnerlicht. Beseelte Natur. Welch Reichtum! Und viele gemeinsame Momente im Garten beim Unkraut jäten oder Himbeeren zurückschneiden, Johannisbeeren pflücken oder Rosen winterfest machen kommen mir wieder in den Sinn. In der Erde wühlen. Jede für sich und doch gemeinsam. Gemeinsam an der Arbeit. Das war mir so  gar nicht bewusst, dass einer der Grundsteine für Terra Selvatica bei mir dermassen früh gelegt wurde. 
Weiterhacken, unterdessen bin ich in der Mitte der Lorbeerhecke, spüre den Wind in den Haaren und fühle mich getragen vom Oberton der Gartenhacke und den Gedanken an meine Mutter. Sie sagte, dass Obertöne die verschiedenen Ebenen verbinden und  Ursprung bedeuten. Mit dem Ursprung verbunden. Urchig tief und gleichzeitig engelhaft himmlisch. Oben und unten.  Ursprung und Jetzt. Ewigkeit. Die Schwingung verbindet alles.  Und meine ganz persönliche Materie, mein Körper, erfährt dies am heutigen Tag in jeder einzelnen Zelle ganz besonders. Beseelt, verbunden und frei.

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