Samstag, 1. November 2014

Olivendepression

Seit Juli kursieren die Gerüchte, dass die Oliven krank sind. Die "mosca" haben sie, sagt man. Die Früchte seien gefährdet. Die Olivenernte ebenfalls. Die Kenner wiegen uns jedoch in Sicherheit - wir seien hoch genug mit unseren 570m über Meer. Da würde sich die mosca nicht niederlassen.
Die mosca ist eine Fliege, die ihre Eier im Juli in die Oliven legt. Da Juli - September normalerweise richtig heisse Monate sind, sterben diese Eier, und die Oliven sind nicht gefährdet. Wachsen und entwickeln sich normal. Anders dieses Jahr. Wir haben zwar immer wieder Schönwetterperioden, doch die sommerliche Hitze bleibt aus. Ergo vermehren sich diese "Olivenfliegen" weit über das normale Mass hinaus. Fleckige Oliven sind das Resultat.
Wir lassen uns nicht gross beeindrucken von den Unkenrufen. Naivität? Glauben? Optimismus? Einfach nicht wahr haben wollen. Als dann während des Monats September klar wird, dass die Olivenhaine im Tal zu stark beschädigt sind und nicht mit einer Ernte gerechnet werden kann, werden wir doch etwas unruhig. Immer wieder drehen wir Runden auf unseren Olivenfeldern. Ja, sie sind etwas fleckig, doch die schaffen das. Immer noch optimistisch-naiv.
Ende September sind jedoch schon ganz viele Oliven schwarz und weich und/oder schrumpelig. Autsch. Eine verfrühte Ernte zeichnet sich ab. Auch die Ölmühlen künden an, dass sie früher aufmachen. Mitte Oktober.
Die schlechten Nachrichten aus dem Tal häufen sich. Man hat gepresst, doch das Öl taugt nichts, stinkt. Also kein Olivenöl dieses Jahr. Die ersten Mühlen machen nach 1 Woche schon wieder zu, da Aufwand und Ertrag, bzw. Qualität in keinem Verhältnis stehen. Auch die Nachbarn und Olivenbauern in unserer Höhe machen erste Kostproben - mit vernichtendem Resultat. Kein Olivenöl dieses Jahr. Jetzt sind auch wir alarmiert und initiieren sofort die Ernte der ersten 200 kg (Mindestmenge für die Mühle). Wir wollen eine Probe machen. Zum Glück haben wir noch Besuch, der sofort in die Ernte miteinbezogen wird - ganze 3,5 Wochen früher als geplant. Innerhalb 2er Tage haben wir die Menge zusammen und melden uns in der Mühle an. 




Danilo (capo des frantoio) kommt und schaut sich unsere Oliven an, schüttelt traurig den Kopf. Das wird nichts, der Schaden der mosca ist zu gross. Er lässt uns keine Hoffnung. Natürlich, er könne sie schon pressen, die Oliven, doch es würde uns nur Kosten verursachen für ein Produkt, das unterdurchschnittlich wäre. Mist. Schock. Unglauben. Depression. 
Niemand in unserer Region pflückt Oliven. Die Mühlen machen zu. Eine Katastrophe für viele. Umbrien (und grosse Teile der Toscana) ohne Olivenöl. Ausser man hat mit chemischen Produkten gespritzt. Unser 84-jähriger Nachbar, Livio, hat dies noch nie erlebt. Er habe Zeit seines Lebens jedes Jahr Oliven gepflückt. Doch das ist das Leben, sagt er. Wir können es nur akzeptieren. Sagt er. Ja, wir mögen enttäuscht und deprimiert sein, doch die Tatsachen müssen/dürfen wir akzeptieren. Eben - kein Olivenöl dieses Jahr
Als dann die definitive Entscheidung gegen die Ernte fällt, stellt sich wundersamerweise Erleichterung ein. Mit der Ernte wären wir bis kurz vor Weihnachten vollauf beschäftigt gewesen, jetzt haben wir Zeit für anderes. Auch gut. Webseite. Visitenkarte. Einrichten. Fruchtbäume pflegen. Und wer weiss - ausatmen.

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